Gleich hinter dem sehr umtriebiegen Touristenviertel von Ciqikou, da versteckt sich dieses kleine Nachbartal.
Hier in Chongqing gibt es ein Viertel, das Ciqikou heisst, ein meiner Meinung nach äußerst interessantes Altstadtgebiet. Es liegt direkt am Fluss, und wird dramatisch überragt durch eine halbfertiggebaute Hochstrasse. Darunter liegen im Flussschlamm die beliebten Flussrestaurants. Früher einmal, vor dem Bau des 3-Schluchtenstaudamms, konnte der Hochwasserpegel schon mal so um die 20 Meter hin oder her betragen, sodass die Uferpromenaden weit ueber dem Fluss liegen. Nun ist die Hochwassergefahr gebannt. Und der Fluss, der in dieser Jahreszeit eh wenig Wasser führt liegt also da, wie ein feuchter, schlammiger Acker.
Ciqikou selber ist das Altstadtviertel hier, und wegen seiner Beliebtheit bei chinesischen Touristen ist es zu einem Brennpunkt nationaler Besichtigungsreisen geworden. Ich bin kürzlich um 4 Uhr Morgens aufgewacht, und nutzte die Chance, das Viertel mal ohne Menschen zu sehen. Schön ist die Gegend hier am Fluss nicht, aber schon ziemlich beeindruckend:
Mittlerweile bin ich in Hong Kong angekommen – und hab mich nach dem Monat in Chongqing erstmal auf einer kleinen Insel vor Downtown Hong Kong einquartiert. Hier gibt es keine Autos und demzufolge weniger Huperei als in Chongqing. Luft ist gut, Klima ist sehr gut, Ausblick angemessen und des Nachts wiegt mich die sanfte Brandung in den Schlaf.
Man befindet sich geschätzte 47 Meter über dem aktuellen Wasserpegel des Yangzi-Flusses in Chongqing. Ein knochentrockener Hochwasserstandsanzeiger steht hier in einsamer Sicherheit. Das Wasser von unten, birgt weniger Gefahren als das Wasser von oben. Es regnet oft in Chonching. Und es scheint, dass die transparente und hoechstwahrscheinlich gutgemeinte Doppelfassade aus Milchglas langsam von oben her vollläuft…
Aber zum Glück sind in der Fassade Loecher drin, sodass das Wasser rauslaufen kann.
Ich las mal folgendes in einem Buch: “Der Versuch in Asien Allem auf den Grund gehen zu wollen, gleicht dem Versuch das letzte Bisschen Wasser aus einem alten Autoreifen raus zu bekommen.” So hab ich mich dann in Guilin über Einiges gar nicht mehr gewundert.
Ich habe an der Konferenz des chin. Bauministeriums teilgenommen. Titel: Low-Carbon Lifestyle and Sustainable Development.
1.000 Teilnehmer tauschten sich 2 Tage lang im “Lijiang Waterfall Hotel” in Guilin aus. Damit fing es an. Weil dem Namen des Hotel hatte ich erstmal keine Sekunde lang Aufmerksamkeit geschenkt. Ich dachte, das ist einer dieser schön klingenden Namen, wie ebenso das “Harbour View Hotel” in Peking, welches immerhin 380 km vom Meer und vom nächsten nennenswerten Hafen, entfernt liegt. So dass man beim besten Willen, auch wenn die Luft mal klar wäre, das Meer und irgendwelche Haefen vom Hotel aus nicht zu sehen bekommt.
(Mittlerweile in “Rosedale Hotel” umbenannt, weil es sogar wohl den Chinesen zu peinlich war. Einer meiner Freunde, ein echter Trottel, was Geographie angeht, ist dort seinerzeit untergekommen, weil er dem Namen auf den Leim ging…)
Das “Waterfall Hotel” in Guilin jedoch, das verdient seinen Namen, wie ich abends beim Bummel mit meiner lokalen Assistentin erfahren musste. Am Abend um 20:30 gehen auf der Rückseite des Hotels die Strahler an, Lautsprecher verkünden lautstark den Weltuntergang, tausende Menschen versammeln sich, und pünktlich um Halb8 rauscht es. Und auf der gesamten Breite und Höhe des Hotels kommt ein Wasserfall runter. Am Haus entlang runter auf’s Vordach. 46 Meter hoch und 74 Meter breit rauschen tausende Tonnen Wasser da runter. Schlicht unfassbar. Mein erster Gedanke war, das sie es auch so schon nicht schaffen, das durchschnittliche Fenster in China regendicht zu bekommen. Aber ein Wasserfall…???
Am nächsten Abend waren wir eingeladen, einer Flussfahrt beizuwohnen. Guilin ist ja berühmt wegen des Flusses, den Bergen und haufenweise Seen. Und all die Natursehenswürdigkeiten, die können sie verkaufen – der Tourismus lauft. Die tun anscheinend auch seit Jahrhunderten nichts Anderes, als ihre Naturschätze zu vermarkten. Wir sind den Fluss hoch und die Seen runter, an einer Landschaft, die absolut künstlich einer Bollywood-Landschaft nachgestellt war. Nix, nix aber auch gar nix war natürlich. Alles war gepflanzt, arrangiert, aus Beton nachgebaut, angemalt, beleuchtet, angestrahlt, und mit viel Musik untermalt. Kilometerlang. Kleine Pavillons, Mühlräder an Ufer, Wege und Pfade, Felsen, Weiden, Palmen, Büsche, glückliche Menschen in traditionellen Trachten, Alles inszeniert. In den im Wasser stehenden Pavillons standen dann auch lustig, traditionell angezogene Menschen, und haben zu Rockmusik-Playback auf traditionellen Instrumenten gespielt. Man bekam was fuer’s Geld!
Dann in einer Bucht, zwischen gewaltigen Bergen, da hatten sie ein Indiana-Jones Tempel aufgebaut, wo ein Mordsspektakel aufgeführt wurde, mit gewaltigen Hörnern, Pauken, Trommeln und Trompeten. Die Schiffe hielten vor der Arena, und wir wurden ganz ordentlich unterhalten – auf Deibel-komm-raus. Laut war’s und gewaltig. Und kurz. Nach 5 Minuten war der Spuk rum, und wir machten Platz fuer neue Schiffe…
Ich mache mir da so meine Gedanken, bezüglich Nachhaltigkeit, weil das war ja das Grundthema der Konferenz. Was die hier geschafft haben ist Nachhaltig. Die verdienen richtig Geld und stecken es in ihre Landschaft. Ob die es will oder nicht. Schön aussehen muss es. Punktum. Drinnen sassen wir also in der Konferenz und redeten über Low-Carbon Mobility und Umwelt und so Zeugs und draussen da tobt das wahre Leben, wo ordentlich Zauber gemacht wird. Und wo, wenn ich schon dabei bin, integrative Mobilität praktiziert wird. Weil die Städte in China derzeit nur fuer Autos gebaut werden, liess man den schäbigen Bürgersteig wohl der Einfachheit halber gleich weg, was die Leute zwingt auf der Strasse zu gehen, und wiederum die Autofahrer dazu bringt, am Ende dann doch nicht so schnell fahren zu können… Clever!